Warum nicht zu viel Arbeit der Hauptgrund für Erschöpfungsdepressionen und Burnout ist, sondern unser Beziehungsdrama-Karussell, in dem wir uns bewegen, habe ich in den vielen Jahren meiner Arbeit als Coach und Beraterin immer wieder beobachten und auch selbst erfahren dürfen.
Wir alle kennen wahrscheinlich das Gefühl. Es ist Jahrmarkt. Wir sind aufgeregt, freuen uns auf die vielen Attraktionen und springen von einem Karussell ins andere. Drehen uns stundenlang im Kreis. Höher, schneller, weiter…bis uns ganz schwindelig und übel wird. Dann wissen wir in der Regel, dass es jetzt Zeit ist, aus dem Karussell aussteigen und uns eine Pause zu gönnen.
Doch im Beziehungskarussell finden wir den rechtzeitigen Ausstieg häufig nicht. Wir bewegen uns so lange im Kreis, bis wir kotzend aus dem Sitz geschleudert werden. Alle, mich nicht ausgenommen, berichten in den Settings von konfliktreichen Beziehungen. Beruflich wie auch privat. Oft mit verheerenden Folgen. Emotionale und körperliche Erschöpfung, mit Abbruch der Sozialkontakte und zu sich selbst. Weil wir zwar in Bewegung sind, uns aber kein Stück vorwärts, sondern nur im Kreis bewegen. Wir drehen uns in unserem Drama-Karussell und wiederholen immer wieder dieselben (Beziehungs-)Muster.
Wir brauchen Beziehungen, weil wir soziale Wesen sind und es Leben bedeutet. Wir brauchen den Kontakt und die Interaktionen: mit uns selbst und auch mit anderen, mit denen wir leben und arbeiten, weil wir Teil eines Systems sind. Da kommt es hin und wieder zu Konflikten. Das ist nicht ungewöhnlich. Doch, wenn wir in dysfunktionalen Systemen aufgewachsen sind, nicht gelernt haben, innere wie äußere Konflikte angemessen zu bewältigen, haben wir Strategien und Verhaltensweisen erlernt, um in diesem System zu überleben. Diese Schutz- und Bewältigungsstrategien halten uns im Erwachsenenalter im Kampfmodus gefangen und entziehen uns unsere Kraft und Energie.
Wir sind im Dauerwiderstand gegen bestimmte Situationen, gegen Personen oder sogar gegen uns selbst, kämpfen um Aufmerksamkeit, Anerkennung und Wertschätzung. Dafür sind wir bereit, alles zu geben, bis zur absoluten Selbstaufgabe und Erschöpfung. Ob in Beziehungen, in denen wir uns aufopfern, zu viele Aufgaben und Verantwortung übernehmen, um geliebt und wertgeschätzt zu werden oder im Job, in dem wir täglich Überstunden machen und zu viele Verpflichtungen übernehmen, um vom Chef gesehen zu werden. Oder der Schüler, der einen beruflichen Weg einschlägt, der gar nicht seinen Fähigkeiten und Interessen entspricht, der seine Begabungen nicht lebt, sich zum Erfolg und zu Leistungen zwingt, um Anerkennung zu erhalten. Dieser Kampf hält uns im Überlebensmodus gefangen und führt am Ende zur totalen Erschöpfung.
Burnout ist das Ergebnis gestörter Beziehungs-(Muster). Denn wer sich bis zum Zusammenbruch erschöpft, gibt sich selbst in seinen Beziehungen auf, verliert sich in einem anderen oder in einer Sache und verliert dabei das Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen. Es ist aber unsere alleinige Verantwortung, dafür zu sorgen, dass wir im Gleichgewicht bleiben und unsere Beziehungen so gestalten, dass unsere Bedürfnisse dabei nicht auf der Strecke bleiben oder einer Berufung nachgehen, die uns und unseren Fähigkeiten entspricht. Damit wir uns nicht in eine Rolle zwingen oder auf eine Funktion reduzieren lassen müssen.
Um das leben zu können, brauchen wir eine gesunde Beziehung zu uns selbst. Viele meiner Klienten berichten, dass sie in toxischen Beziehungen leben, was häufig die Folge dysfunktionaler Bindungs- und Beziehungserfahrungen ist. Sie haben keine gesunde Selbstliebe gelernt, können sich nicht abgrenzen oder ihre Grenzen klar vertreten. Sie haben keine konstruktiven Auseinandersetzungen erlebt, sondern oft erfahren, dass es nicht gut ist, wie sie sind und wurden dafür bestraft.
Wenn wir keine bedingungslose Liebe erleben durften, entwickeln wir ungesunde Verhaltensweisen und kommen vielleicht zu der Überzeugung, nicht gut genug zu sein und sich immer wieder beweisen zu müssen. Dann haben wir nicht das Selbstbewusstsein, unseren Mitmenschen auf Augenhöhe zu begegnen und unsere Grenzen aufzuzeigen. Dann überschreiten wir unsere Grenzen immer wieder selbst, geben mehr als uns guttut, opfern und geben uns auf. Wenn wir als Kinder nicht gesehen werden, haben wir auch keinen Blick für uns selbst und dafür, was uns immer wieder überfordert.
Wir leben nicht in der Gegenwart, sondern sind gefangen in der Opferrolle und in unseren kindlichen Verhaltensweisen und im Überlebensmodus. Um zu gesunden oder gesund zu bleiben, ist es wichtig, die Wunden der Vergangenheit zu erkennen, sie anzunehmen und zu schauen, was wir daraus lernen können. Zu verstehen, welche Verhaltensweisen wir in der Vergangenheit erlernt haben, welche Trigger wir haben, in welchen Mustern und (Drama-)Kreisläufen wir uns bewegen.
Wir müssen unseren Frieden mit ihnen machen, weil sich sonst unsere Beziehungen immer konfliktreich gestalten werden und wir unseren Mangel immer in der Liebe oder Karriere versuchen auszugleichen. Wir suchen die Erfüllung unserer Bedürfnisse in unseren Beziehungen, geben unsere Verantwortung ab oder kompensieren mit ungesunden Verhaltensweisen, werden süchtig und bedürftig, nach Anerkennung, nach Liebe und Wertschätzung und überhören dabei unsere innere Stimme, die uns schon lange dazu auffordert, endlich die Notbremse zu ziehen.
Für mich war das ein sehr langer und schmerzhafter Entwicklungs- und Lernprozess. Erst der eigene Burnout hat mich dazu gezwungen, ganz genau hinzuschauen, meine Beziehungen und meine Verhaltensmuster zu hinterfragen. Ich habe dabei unglaublich viel gelernt, vor allem über mich selbst. Und ich bin noch lange nicht fertig. Zum Glück!
Ich versuche dabei, eine einfache Regel zu beherzigen:
Die Vergangenheit anzunehmen, daraus das Heute zu begreifen, um dann das Morgen mitgestalten zu können. Nur Systeme, in denen das Geben und Nehmen im Gleichgewicht ist, sind überlebensfähig.
Rückblickend kann ich sagen, dass mein Zusammenbruch, das Schlimmste und zugleich das Beste waren, was mir hätte passieren können. Weil ich mich weiterentwickeln und über mich hinauswachsen konnte.
Wie ich es geschafft habe, meinen persönlichen Dramakreislauf zu durchbrechen und was dir dabei hilft, deine Muster zu erkennen und aus dem Drama-Karussell auszusteigen, erfährst du im nächsten Blog-Artikel. Wünschst du dir Unterstützung dabei, dir deine Themen anzuschauen, die Muster und Dynamik zu erkennen, zu bearbeiten und aufzulösen, kontaktiere mich auf einen meiner Kanäle.