Neue Wege entstehen beim Gehen. Vom Wandel zwischen den Welten.

behind young person walking on rock barefoot

Teil 1

Ich werde häufig gefragt, wie ich die Zeit während meiner Zwangspause erlebt, wie ich meinen Heilungsprozess gestaltet und was ich dabei empfunden habe. Das wird jetzt bestimmt etwas wirr und beantwortet sicher auch nicht all eure Fragen, aber ein wenig philosophieren, über die Veränderungen, den Wandel und die Gefühle, ja warum nicht?!

Ich möchte euch gern an meinen persönlichen Erkenntnissen und Erfahrungen teilhaben lassen, die ich während meiner Wanderungen durch meine Zwischenwelt gewonnen habe. In einem meiner Blog-Artikel hatte ich ja bereits angedeutet, dass mir das Gefühl von Verlust und Trauer durchaus bekannt ist. Jeder von uns hat es auf eine gewisse Weise schon einmal erlebt. Doch Loslassen können, gehört nicht unbedingt zu den menschlichen Stärken.

Auch für mich war es ein schwieriger und manchmal auch sehr schmerzvoller Entwicklungs- und (Kennen-)Lernprozess. Denn ich wusste gar nicht, wer ich bin und wie ich funktioniere. Was macht mich aus? Was mag ich? Was treibt mich an und was bremst mich aus? Wer bin ich ohne meine Kinder? Denn die sind inzwischen erwachsen und gehen ihre eigenen Wege. Das war ein Ereignis, welches meine kleine Welt ganz schön ins Wanken brachte. Die Kombination aus fehlender Selbstfürsorge und Angst forderte schließlich seinen Tribut. Sicher spielten auch andere Faktoren dabei eine Rolle, denn wir wissen ja, ein Unglück kommt selten allein. So gab es schon zuvor eine Reihe von Ereignissen, die mich unbewusst ziemlich gestresst haben. Ich rutschte unbemerkt und ungebremst in eine Abwärtsspirale.

Angst ist dabei immer ein schlechter Berater.

Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Teilnehmer, der beruflich sehr erfolgreich war und einen sehr verantwortungsvollen Job hatte, erlebte auf einem seiner Außeneinsätze einen Verkehrsunfall. Jemand nahm ihn die Vorfahrt und er fuhr ungebremst und in den Wagen des Unfallverursachers. (So ähnlich fühlte sich auch mein aufgezwungener Stillstand an.)

Obwohl der Teilnehmer äußerlich keine Verletzungen hatte, fiel er aufgrund starker Schmerzen langfristig am Arbeitsplatz aus. Ärzte konnten keine Ursache finden und sein Arbeitgeber war schon sehr misstrauisch. Dadurch geriet er ziemlich unter Stress, da ihn nun zusätzlich zu seinen gesundheitlichen Einschränkungen auch noch Existenzängste plagten. Sein Genesungsprozess wurde dadurch eher behindert und die Schmerzen immer heftiger. Zur Beruhigung trank er am Abend gern ein Glas Wein. So konnte er besser schlafen. Er spürte weniger Schmerzen und konnte sich schneller entspannen.


Nach einiger Zeit fühlte er sich wieder arbeitsfähig und ging seinen Verpflichtungen nach. Schon nach kurzer Zeit spürte er, dass er an seine Grenzen stieß. Er brauchte am Abend mehr Alkohol, um denselben entspannenden Effekt zu spüren. Sein Alkoholkonsum steigerte sich, was immer wieder zu Konflikten in der Partnerschaft führte. Die ständigen Streitereien, die von vielen schlaflosen Nächten begleitet wurden, wirkten sich bald auch auf seine Arbeit aus. Während seiner Außendienste war er nicht konzentriert genug, machte häufiger Fehler und war auch viel schneller erschöpft. Er schaffte nur noch einen Bruchteil seiner Aufträge. Um dem Druck standzuhalten und die täglichen Schmerzen ertragen zu können, fing er an, zusätzlich Schmerztabletten zu schlucken.

Am Abend war er oft so erledigt, dass er nichts mehr tun konnte. Seine Frau war sehr wütend und trennte sich schließlich von ihrem Mann. Sie zog aus. Ihm plagten schlimme Schuldgefühle. Mit der Trauer über den Verlust konnte er nicht umgehen. Am Arbeitsplatz funktionierte er nur noch. Bis er fristlos gekündigt wurde. Sein Chef begründete die Kündigung damit, dass er für die Firma untragbar wäre und Kollegen ihm des Diebstahls beschuldigten. Seine Unschuld konnte er leider nicht beweisen.

So führte ein Unglück zum anderen. Aufgrund seiner Erwerbslosigkeit konnte er seine Wohnung nicht mehr halten. Ihm wurde der Mietvertrag gekündigt und es folgte die Räumungsklage. Er schämte sich so sehr, dass er sich seinen Freunden nicht anvertrauen konnte. Er kaufte sich ein Zelt und schlief ab diesem Zeitpunkt allein im Wald.

Und was nun? Jedes Ereignis an sich ist schon eine Katastrophe. Was passiert, wenn plötzlich das ganze Leben aus den Fugen gerät? Man kann darüber jammern, dass das Leben es einem so schwer macht, die Steine beklagen, die es uns in den Weg legt, sich mühen und dagegen ankämpfen. Aber wenn einem das Schicksal oder was auch immer, mit solch einer Wucht erfasst, dass es uns nur noch die Tränen in die Augen treibt, kannst du nichts mehr machen, außer loslassen. Er fiel in eine tiefe Krise, die er lange nur noch mit Alkohol ertragen konnte.

Jedes Ende ist ein Neuanfang und eine Chance für persönliches Wachstum.

Wenn nichts mehr ist, wie es mal war, ist es Zeit für einen Neuanfang. Und manchmal müssen wir dafür erst ganz unten ankommen, bevor wir für diesen Wandel bereit sind. Ähnlich wie bei mir. Plötzlich hatte ich gefühlt nur noch Baustellen in mir und um mich herum. Ich fühlte mich nicht mehr zumutbar. Nicht mehr als Teil dieser Gesellschaft. Plötzlich hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Nachdenken ist wichtig. Fühlen und Nachdenken, in sich hineinschauen, aber auf keinen Fall Grübeln. Fällt mir die Antwort nicht gleich ein, bin ich eben noch unsicher. Egal, dann bin ich eben noch nicht so weit und brauche noch ein wenig Zeit für meine Antworten- ist dann eben so. Zeit ist der Schlüssel, Grübel ist im Kreis drehen.

Ich habe irgendwann erkannt, dass mein Wandel zwischen den Welten von heftigen Gefühlen wie Unsicherheiten, Ängsten, Trauer und Liebeskummer begleitet wurde. Ich habe mich gefragt, ob es vielleicht wiederkehrende Enttäuschungen meiner Erwartungen waren. Ob dieses Auf und Ab der Gefühle normal ist oder ich jetzt womöglich verrückt werde. Mir waren diese Gefühlsausbrüche in dieser Intensität nicht bekannt. Das war sehr beängstigend. Aber ist es nicht das, was das Leben ausmacht? Ein Auf und Ab der Gefühle, Entwicklungen, nicht immer nur nach oben, sondern auch mal stagnierend oder absteigend?

Ich finde es wichtig, sich dieser Gefühle bewusst zu werden, um mit ihnen den entscheidenden Schritt nach vorne gehen zu können. Meine Zwischenwelt begriff ich für mich als Übergangszeit, die jeder irgendwann einmal braucht, weil Glück nicht immer währen kann und man auch mal innehalten muss. Zum „sich bewusstwerden“, über eine neue Situation und über sich selbst in dieser Situation. Um für sich neue Ideen entwickeln zu können, um dann mit ihnen den Schritt nach vorn gehen zu können.

Hat jemand, der zufrieden in einem ruhigen See schwimmt, mehr Glück als jemand, der das Auf und Ab der Wellen im offenen Meer wahrnimmt? Der auch mal gegen die Strömung kämpfen muss, während andere sich einfach im Strom treiben lassen?

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